Die EVG hat den psychischen Belastungen am Arbeitsplatz den Kampf angesagt. Unsere Betriebsräte haben hierfür ein gutes Mittel: eine Handlungshilfe zur psychischen Gefährdungsbeurteilung. Was man damit erreichen kann, zeigt unser Beispiel von DB Cargo in Mannheim.
Die Ausgangslage
Personalmangel, Überstunden, Belastungen: Rote Lämpchen glühten an vielen Stellen im Wahlbetrieb C8 der DB Cargo. Vor allem die Disponenten schlugen Alarm. „Die Kollegen haben sich über den Personalmangel beschwert und über die langen 12-Stunden-Schichten am Wochenende“, sagt Betriebsrat Hans-Peter Bick. Der Krankenstand stieg immer weiter an. „Wir haben es erlebt, dass ein Disponent gesagt hat: Ich kann nicht mehr.“ Für den Betriebsrat war das das Signal, zu handeln.
Denn psychische Belastungen sind längst kein Randthema mehr. Sie sind auf dem Weg zur neuen Volkskrankheit. Um ihren Vormarsch zu stoppen, wählte der Mannheimer Betriebsrat ein Instrument, das allen Interessenvertretern zur Verfügung steht: die psychische Gefährdungsbeurteilung. „Uns war wichtig, dass am Ende schwarz auf weiß festgehalten wird, welche Mängel es gibt und was getan wird, um sie abzubauen“, sagt Betriebsrat Christian Bonner. „Und zwar unterschrieben vom Arbeitgeber.“
„Verfahren DB“
Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist eine Gefährdungsbeurteilung für Arbeitsplätze vorzunehmen. Ziel ist, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Der Gesetzgeber hat die Dimension der psychischen Belastungen erkannt und diese im ArbSchG im Jahre 2013 zusätzlich verankert.
Bei den Gefährdungsbeurteilungen hat der Betriebsrat volles Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Betriebsräte im Organisationsbereich der EVG können hierbei auf die „VDV-Handlungshilfe zur Erfassung psychischer Belastungen bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen“ zurückgreifen. Ihr Kern ist eine Checkliste zur Analyse der Arbeitsplätze. Auch sind Schritte definiert, wie die Checkliste angewendet und ausgewertet wird. Das Verfahren wurde vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) entwickelt. Der DB Konzern, der Konzernbetriebsrat der Deutschen Bahn sowie Wissenschaftler der TU Dortmund haben diese Methode für die Bahn angepasst. Deshalb wird die Handlungshilfe auch „Verfahren DB“ genannt.
Die EVG hat die Entwicklung des Verfahrens begleitet und bietet interessierten Betriebsratsgremien Unterstützung an.
Uns war wichtig, dass schwarz auf weiß festgehalten wird, welche Mängel es gibt und was getan wird.
Die EVG-Kollegen im Betriebsrat C8 der DB Cargo AG haben ihr Mitbestimmungsrecht ernst genommen. Christian Bonner nahm an einer Schulung teil und arbeitete sich in das Verfahren ein. „Dann haben wir die Fakten sortiert und in der EVG-Fraktion beschlossen, das Thema mit in das Monatsgespräch zu nehmen“, sagt der Betriebsrats-Vorsitzende Erwin Heidt. Dort mauerte der Arbeitgeber. „Sie wollten vom Thema weg, eher in Richtung Arbeitsstättenverordnung. Aber da haben wir gesagt: Nein, das ist kein Thema der Ausgestaltung der Arbeitsplätze mehr, hier geht es um die psychische Überlastung der Beschäftigten und da ist das Arbeitsschutzgesetz heranzuziehen.“
Begehung
Für die konkrete Analyse wurde der Standort Saarbrücken ausgesucht und die dort beschäftigten Kolleginnen und Kollegen vorab informiert, sagt Betriebsrat Hans-Peter Bick. „Wir haben den Leuten auch klar gesagt: es geht nicht darum, eure Psyche zu kontrollieren, sondern es geht um den Arbeitsplatz und die Abläufe vor Ort.“
Begehungen finden nach dem Verfahren in einem Vierer-Team statt: Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft (Sifa), je ein Vertreter von örtlichem Arbeitgeber und Betriebsrat. Für die Interessenvertreter nahm Christian Bonner teil. „Wir haben uns genau die Abläufe angeguckt und sind dabei die Checkliste durchgegangen und zwar jeder für sich.“ Anschließend wurden die Ergebnisse zeitnah in einer so genannten Konsensrunde – auch sie Teil des Verfahrens – abgeglichen. „Damit haben wir die offensichtlichen Mängel identifiziert. Und das waren genau die Dinge, die wir als Begründung aufgeschrieben hatten, warum wir das machen wollen.“
Erfolge können sich sehen lassen
„Zum Fahrplanwechsel ist das Personal in Saarbrücken von vier auf fünf Mann aufgestockt worden. So konnten die 12-Stunden-Schichten wegfallen und zugleich bleiben die freien Wochenenden erhalten“, sagt Christian Bonner. Bei den begutachteten Arbeitsplätzen fiel auf, dass die Kollegen keine richtige Möglichkeit hatten, Pause zu machen. Auch hier wird Abhilfe geschaffen: Derzeit wird der Pausenraum neu gestaltet.
Betriebsrat und Belegschaft sind dadurch noch näher zusammengerückt. „Wir hören öfter: Gut, was der Betriebsrat für uns gemacht hat. Es ist ein stärkeres Wir-Gefühl entstanden“, sagt Erwin Heidt. Allerdings glaubt der Betriebsratsvorsitzende nicht, dass der Arbeitgeber aus dem Verfahren gelernt hat. „Die haben das umgesetzt, der Fall ist für die erledigt.“ Der Kampf gegen psychische Belastungen ist für Erwin Heidt kein Selbstläufer. „Der Arbeitgeber geht nicht von sich aus an andere Standorte und guckt sich die Lage dort an. Wir, die Betriebsräte, müssen immer wieder Treiber sein.“
Die EVG engagiert sich seit Jahren um Verbesserungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die psychischen Gefährdungen sind eine der größten Herausforderungen. Deshalb sei es unverständlich, warum Verantwortliche auch heute dieses Problem immer noch nicht ernst nehmen, so die Stellvertretende Vorsitzende der EVG Regina Rusch-Ziemba, die auch für Sozialpolitik zuständig ist: „Psychische Belastungen müssen sich in einer Gefährdungsbeurteilung wiederfinden, um daraus die notwendigen Maßnahmen entwickeln zu können! Dieses findet aber kaum statt. Das ist, auch im Zuge von Arbeit 4.0, nicht hinnehmbar.“