Die EVG ruft die Beschäftigten aller Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen, in denen derzeit verhandelt wird, am Montag den 27. März 2023 zum Warnstreik auf. Der Warnstreik beginnt in der Nacht vom 26. auf den 27. März 2023 ab 0:00 Uhr. Je nach Schicht werden sich dem befristeten Arbeitskampf weitere Beschäftigte anschließen, so dass die Auswirkungen der Arbeitsniederlegung den ganzen Tag über andauern werden.
Die EVG und ihre Mitglieder reagieren damit auf die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber. Die erste Runde der Tarifverhandlungen, die die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft derzeit mit rund 50 Unternehmen in der Eisenbahn- und Verkehrsbranche führt, ist ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende gegangen.
Statt – wie gefordert – gleich zu Beginn verhandlungsfähige Angebote vorzulegen, wurden immer wieder Gegenforderungen aufgemacht, die zu weiteren Belastungen der Beschäftigten führen würden. So wurde unter anderem gefordert, auf soziale Errungenschaften wie Mehrurlaub zu verzichten, um die Produktivität zu erhöhen. Unsere Kolleginnen und Kollegen, die während der Pandemie auf angemessene Lohnsteigerungen solidarisch verzichtet haben, haben für ein solches, ihre Leistungen geringschätzendes Verhalten kein Verständnis. Sie erwarten Angebote, die mit deutlichen Lohnsteigerungen verbunden sind.
Der Vorsitzende der EVG, Martin Burkert, und Cosima Ingenschay – die zusammen mit Kristian Loroch die Tarifpolitik der EVG verantwortet – machten am Donnerstagmittag, den 23.3.2023, vor der Bundespressekonferenz in Berlin die Hintergründe deutlich.
„Vor ihnen steht heute ein wütender Gewerkschafter, der Eisenbahner und Busfahrer in der gesamten Branche vertritt. Wir führen derzeit Verhandlungen mit 50 Unternehmen. Der Schuh drückt gewaltig bei unseren Kolleginnen und Kollegen. Und die Arbeitgeber verweigern sich ernsthafter Verhandlungen.
Der Moment ist gekommen, indem wir als EVG unsere Stärke zeigen und laut und deutlich machen: So geht man mit seinen Beschäftigten, mit ihren Sorgen und Nöten nicht um.
Wir haben uns deshalb zu einem umfassenden Warnstreik am Montag, den 27.3.2023 entschieden. Ich bin überzeugt, der wird seine Wirkung nicht verfehlen. Die EVG vertritt die Beschäftigten in der gesamten Breite: Fahrdienstleiter, Stellwerker, Sicherheit, Service, Reinigung, Fahrbetrieb – Sie alle ziehen gemeinsam an einem Strang, um gemeinsam etwas zu erreichen!
Mit ihrer unverständlichen Verweigerungshaltung belasten die Arbeitgeber die Sozialpartnerschaft. Die Arbeitgeber müssen endlich verstehen, dass sie mit ihrer Verweigerungshaltung die Beschäftigten gegen sich aufbringen und damit dem zurecht beklagten Fachkräftemangel massiv Vorschub leisten. Das gefährdet die Zukunft einer ganzen Branche. So fahren die Arbeitgeber die Verkehrswende und damit ihre eigene Zukunft vor die Wand.
Schon heute fallen täglich zahlreiche Verbindungen aus, weil Züge aufgrund von Personalmangel nicht mehr fahren. Wenn der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen deutlich macht, dass schon im Jahr 2022 jedes zweite Unternehmen den Fahrplan aufgrund von Personalmangel einschränken musste, dann schrillen nicht nur bei mir die Alarmglocken.
Diese Situation wird sich weiter verschärfen, weil die Unternehmen im Eisenbahn- und Verkehrsbereich weiter personell ausbluten werden, wenn die Löhne jetzt nicht deutlich angehoben werden.
Wir wissen, dass dieser Warnstreik für viele Reisende zu Unannehmlichkeiten führen wird. Wir wissen aber auch, dass viele Kundinnen und Kunden sich Eisenbahnen mit Zukunft wünschen. Mit gutem Personal, das sie sicher von A nach B bringt, mit sauberen Zügen und Bahnhöfen und einem guten Service. Dafür werden die Weichen in dieser Tarifrunde gestellt und deswegen werben wir um Unterstützung.
Wir bieten ein Bild der Geschlossenheit: Alle DGB-Gewerkschaften kämpfen für mehr Geld und mehr Gerechtigkeit. Und was passiert, wenn die Beschäftigten sich wehren, sehen wir derzeit eindrucksvoll nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa. Wir sind ein Teil dieser mächtigen Arbeitnehmerbewegung“.
„Tarifverhandlungen sollten vom Respekt gegenüber den Beschäftigten geprägt sein. Diese erste Verhandlungsrunde war von Ignoranz geprägt. Es fehlt offenbar die Einsicht, Löhne zu zahlen, die für alle Beschäftigten zum Leben reichen.
Wir sind mit der Prämisse „keine Tariffolklore“ in diese erste Verhandlungsrunde gegangen. Und was ist uns begegnet: Verhandlungsgeplänkel statt ernsthafter Angebote.
Die EVG verhandelt aktuell mit 50 verschiedenen Bahn-Unternehmen. Von keinem Unternehmen haben wir bislang ein verhandlungsfähiges Angebot erhalten, das sich ernsthaft an unseren zentralen Forderungen - insbesondere nach einer sozialen Komponente von 650 Euro mehr pro Monat orientiert. Stattdessen werden Gegenforderungen aufgemacht. So sollen die Kolleginnen und Kollegen beispielsweise auf Mehrurlaub aus dem EVG-Wahlmodell verzichten, um so die Produktivität zu erhöhen.
Die Arbeitgeber versuchen, sich möglichst billig davon zu stehlen: mit einer Inflationsausgleichprämie. Mag sich verlockend anhören, bringt aber nichts. Die Beschäftigten brauchen keine kurzfristigen Beruhigungspillen, sondern langfristig Sicherheit. Das heißt: Wir wollen jeden Cent in die Tabelle, nur eine solche Lohnerhöhung ist dauerhaft. Eine Einmalzahlung verpufft, während die Preise auf absehbarer Zeit hoch bleiben. Wir stehen für eine dauerhafte Entlastung und die muss tabellenwirksam sein.
Nach unserem Warnstreik am Montag, den 27.3.2023, erwarten wir Bewegung. Unsere zweite Verhandlungsrunde beginnt am 29.3.2023 mit der SInON (Schieneninfrastruktur Ostniedersachsen) am 30.3.2023 schließen sich die Verhandlungen mit der OHE - Osthannoversche Eisenbahnen AG - an. Nach Ostern verhandeln wir mit der Transdev, dann mit der DB AG und allen anderen Unternehmen.
Die Geduld unserer Kolleginnen und Kollegen ist am Ende – Wir haben keine Zeit zu verlieren. Der Druck auf dem Konto vieler ist zu groß. Daher die ganz klare Ansage Richtung Arbeitgeber: In der jetzigen Phase kann jede unzureichend verlaufende Tarifverhandlung zu einem weiteren Warnstreik führen.
Zugleich haben die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen in diesem Land immer deutlich gemacht, dass sie verantwortlich mit ihrem Recht auf Streik umgehen. Wir wollen nicht die Reisenden treffen, sondern die Arbeitgeber. Deshalb haben wir die Tage um Ostern ausgeklammert. Hier wird es keine Warnstreiks, aber auch keine Verhandlungen geben.
Die nächste Verhandlung mit der DB AG findet planmäßig am 24. und 25.4.2023 statt. Die DB AG wie auch die anderen Unternehmen sollten die Zeit nutzen, verhandlungsfähige Angebote vorzulegen. Die Uhr tickt und unsere Empfehlung ist: Nutzen Sie die Zeit.
Aufgrund des engen Zeitplans wird es keine Zwischenrunden geben. Das hatten wir von Anfang an klar kommuniziert. Bei der DB AG haben wir einen bereits vereinbarten Termin zum Mindestlohn genutzt, um außer der Reihe ins Gespräch zu kommen. Rausgekommen ist dabei nichts. Wir lassen uns nicht vorwerfen, wir würden nicht ernsthaft verhandeln. Und schon gar nicht lassen wir von der DB AG umgehend an den Verhandlungstisch zurückrufen.
Das Drängen der DB AG, sich vor dem vereinbarten Termin im April erneut zu treffen, ist wieder Tariffolklore. Es führt zu nichts, wie wir gesehen haben. Alle Verhandlungstermine haben wir mit allen Unternehmen gemeinsam vereinbart. Die Arbeitgeber wären gut beraten, die zweite Verhandlungsrunde ernsthaft anzugehen und uns verhandlungsfähige Angebote vorzulegen.“
Die EVG fordert eine Lohnerhöhung von 650 Euro für alle als soziale Komponente, alternativ 12 Prozent mehr, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Bei der Deutschen Bahn soll zuvor der Stundenlohn in den untersten Lohngruppen auf den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro – ohne jede Verrechnung oder Zuschüsse – angehoben werden. Zudem gilt es, Ungerechtigkeiten in der Bezahlung zu beseitigen, etwa, wenn für gleiche Tätigkeiten regional unterschiedliche Löhne gezahlt werden.